EU-Geldwäscheverordnung im Überblick

Im Juni 2024 hat die Europäische Union ein umfassendes Gesetzespaket zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verabschiedet. Zentrales Element dieses Pakets ist die EU‑Geldwäscheverordnung (Anti‑Money‑Laundering Regulation, EU‑Geldwäsche‑VO), die erstmals EU‑weit einheitliche und direkt geltende Vorschriften zur Geldwäscheprävention für den Privatsektor schafft. Dieses „Single‑Rule‑Book“-Konzept markiert einen Paradigmenwechsel in der Geldwäschebekämpfung: Bislang wurden Anforderungen über Richtlinien nur indirekt vorgegeben und von den Mitgliedstaaten individuell ins nationale Recht übertragen; nun hingegen gelten einheitliche Regeln unmittelbar in allen EU‑Staaten.

Die Verordnung schließt Lücken des bisherigen Regimes, verbessert die Aufdeckung verdächtiger Transaktionen und passt den Rechtsrahmen an neue Risiken wie Kryptowährungen, grenzüberschreitende Finanzströme und globale Terrornetzwerke an. Kurz gesagt: Die EU‑Geldwäsche‑VO soll sicherstellen, dass Kriminellen und Terroristen der Spielraum genommen wird, illegal erworbene Gelder über das Finanzsystem zu waschen – europaweit nach denselben strengen Maßstäben.

 

Hintergrund und Kontext

Seit Jahrzehnten verfolgt die EU das Ziel, die Geldwäscheprävention zu harmonisieren, bislang jedoch vor allem über Richtlinien (zuletzt die 5. Geldwäscherichtlinie). Deren nationale Umsetzungen wichen teils erheblich voneinander ab – Definitionen, Schwellenwerte und Aufsichtsstrukturen variierten und boten Schlupflöcher für Geldwäscher. 2021 reagierte die Kommission mit einem Legislativpaket, das nach zähen Trilog‑Verhandlungen im Mai/Juni 2024 formal angenommen wurde.

Das AML‑Paket 2024 besteht aus vier Rechtsakten:

  • Verordnung (EU) 2024/1624 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zu Zwecken der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung (EU‑Geldwäsche‑VO).
  • Richtlinie (EU) 2024/1640 (6. Geldwäscherichtlinie) – regelt vor allem organisatorische Aspekte, die nicht in der Verordnung stehen.
  • Verordnung (EU) 2024/1620 zur Errichtung der Europäischen Anti‑Geldwäsche‑Behörde (AMLA) mit Sitz in Frankfurt a. M.
  • Novelle der Geldtransfer‑Verordnung (EU) 2023/1113 – verbessert die Rückverfolgbarkeit von Geld‑ und Krypto‑Transfers.

Die EU‑Geldwäsche‑VO bildet das Herzstück eines neuen, durchsetzungsstarken Rahmens zur Bekämpfung von Finanzkriminalität in der Union.

 

Ziele und Anwendungsbereich der EU‑Geldwäsche‑VO

Ziele

  1. Einheitliche Standards: Erstes EU‑weit unmittelbar geltendes „Single Rule Book“ für den Privatsektor.
  2. Effektivere Prävention: Bessere Aufdeckung verdächtiger Transaktionen; geringerer Spielraum für Geldwäsche.
  3. Anpassung an neue Risiken: Reaktion auf Technologien wie Kryptowährungen, global vernetzte Finanzdienstleistungen und organisierte Kriminalität.
  4. Stärkung der behördlichen Zusammenarbeit: Harmonisierte Aufsicht, Basis für die neue EU‑Behörde AMLA.

Anwendungsbereich

Die Verordnung gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten für sämtliche „Verpflichteten“, u. a.:

  • Kredit‑ und Finanzinstitute
  • Versicherungen
  • Immobilienmakler
  • Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Notare, Rechtsanwälte (mit Einschränkungen)
  • Glücksspielanbieter
  • Krypto‑Dienstleister
  • Kunst‑ und Luxusguthandel
  • Crowdfunding‑Plattformen
  • Profifußballvereine (ab 2029)

Der Geltungsbereich wurde deutlich erweitert, um Gatekeeper‑Funktionen überall dort sicherzustellen, wo Vermögenswerte bewegt werden – ob über Banken, digitale Plattformen oder physische Geschäfte.

 

Wesentliche Neuerungen der EU‑Geldwäsche‑VO

Erweiterter Kreis der Verpflichteten

  • Krypto‑Dienstleister (Wallet‑Anbieter, Börsen, Broker)
  • Crowdfunding‑Plattformen
  • Händler hochwertiger Güter (Kunst, Schmuck, Luxusfahrzeuge, Yachten u. a.)
  • Fußballvereine und Spielervermittler (ab 2029)
  • Anbieter „goldener Visa“
  • Kreditvermittler außerhalb der Bankenaufsicht

Sorgfaltsmaßnahmen (Customer Due Diligence)

  • Identitätsprüfung natürlicher Personen: Alle Staatsangehörigkeiten, Steuer‑ID, Beruf, Wohnsitzland.
  • Juristische Personen: Verifizierung sämtlicher wirtschaftlich Berechtigter mit erweiterten Daten (z. B. Reisepass‑Nr., Geburtsdatum).
  • Stammdaten‑Updates: Mindestens alle fünf Jahre, bei Risikokunden jährlich.

Politisch exponierte Personen (PEPs)

  • Einbezug kommunaler Amtsträger ab 50 000 Einwohnern.
  • Erweiterter Familienbegriff (bei hohen Ämtern auch Geschwister).
  • Verpflichtete müssen Kunden und wirtschaftlich Berechtigte auf PEP‑Status prüfen.

Bartransaktionen & anonyme Kryptokonten

  • EU‑weites Bargeldlimit: 10 000 € (Ausnahmen für reine Privatgeschenke).
  • Identifizierung ab 3 000 € bei Gelegenheitskunden.
  • Anonyme Krypto‑Wallets: Verboten; alle Wallets unterliegen KYC.

Transparenz des wirtschaftlichen Eigentums

  • Klarstellung der Schwelle: ≥ 25 % bei direkten und indirekten Beteiligungen.
  • Kumulierung in Beteiligungsketten & faktische Kontrolle müssen geprüft werden.
  • Unstimmigkeiten mit Transparenzregistern innerhalb von 14 Tagen melden.
  • Vernetzte EU‑Registerstruktur für Behörden und Verpflichtete.

Interne Compliance & Sanktionen

  • Verpflichtender Compliance‑Manager auf Leitungsebene.
  • Erweiterte Rolle des MLRO, speziell im Sanktionsbereich.
  • Ressourcen‑Mindestanforderungen (Personal, Technik, Schulung).
  • Bußgelder bis 10 % des Jahresumsatzes bzw. mind. 10 Mio. €.
  • Öffentliche Sanktionen („naming & shaming“).

Weitere Änderungen

  • Pflicht zur Sanktionslisten‑Prüfung.
  • Spezielle EDD‑Pflichten für wohlhabende Kunden & Krypto‑Korrespondenzbeziehungen.
  • Erhöhte Pflichten bei Hochrisikoländern.
  • Verpflichtende Umsetzung von FIU‑Monitoring‑Anordnungen.
  • Strengere Kontrolle selbstverwalteter Wallets.

 

Zeitplan und Übergangsfristen

Datum Meilenstein
Juni 2024 Veröffentlichung im EU‑Amtsblatt
Juli 2024 Inkrafttreten (20 Tage nach Veröffentlichung)
01. Jan. 2027 Beginn der Anwendungspflicht
2025 – 2026 Aufbau der AMLA in Frankfurt a. M.
31. Dez. 2028 Frist zur vollständigen Integration bestehender Kunden
Ab 2029 Geltung auch für Fußballclubs & Spielervermittler

Die Übergangsfristen ermöglichen es den Verpflichteten, Systeme, Prozesse und Personal rechtzeitig anzupassen. Aufsichtsrelevante Änderungen – insbesondere in IT‑Architektur und Risikomanagement – sollten spätestens 2026 initiiert werden.

 

Umsetzungsempfehlungen

Strategische Gap‑Analyse

  • Vergleich bestehender nationaler Vorgaben (z. B. deutsches GwG) mit den EU‑Regeln.
  • Identifikation von Lücken bei neuen Verpflichtetengruppen, PEP‑Definitionen, KYC‑Pflichten.
  • Erstellung einer Maßnahmen‑Roadmap bis 2027.

Ressourcen‑ und Personalplanung

  • Auf‑/Ausbau spezialisierter AML‑Teams.
  • Positionierung des MLRO auf Leitungsebene.
  • Planung für Prüfung, Monitoring, Screening, Schulungen und IT‑Unterstützung.

IT‑Systeme & Datenmanagement

  • Evaluierung bzw. Migration von KYC‑, Screening‑ und Monitoring‑Systemen.
  • Schnittstellen zu FIU und AMLA sicherstellen.
  • Robuste Datenhaltung für Kunden‑ und Eigentümer‑Informationen implementieren.

Interne Governance & Prozesse

  • Überarbeitung des internen Kontrollsystems (IKS) für Kundenannahme, Risikobewertung, EDD.
  • Klare Zuständigkeiten zwischen Compliance, IT, Vertrieb und Rechtsabteilung.

Kommunikation & Schulung

  • Zielgruppenspezifische Trainings (Frontoffice, Compliance, Management).
  • Laufend aktualisierte AML‑Schulungsprogramme.
  • Sensibilisierung der Geschäftsleitung für persönliche Haftungsrisiken.

Externe Unterstützung

  • Einsatz externer Berater bei komplexen Projekten (Systemmigration, Blockchain‑Analytik u. a.).
  • Austausch mit Verbänden, Aufsicht und Peer‑Instituten.

Berichtswesen & Prüfvorbereitung

  • Frühzeitiger Aufbau eines strukturierten internen AML‑Reportings.
  • Vorbereitung auf nationale Aufsichts‑ und ab 2027 mögliche AMLA‑Prüfungen.
  • Dokumentation sämtlicher Umsetzungsschritte als Revisionspfad.

 

Fazit

Die EU‑Geldwäsche‑VO steht für einen Paradigmenwechsel: Weg von nationalen Spielräumen, hin zu einem einheitlichen europäischen Regelwerk mit klaren Zuständigkeiten. Zusammen mit AMLA, der überarbeiteten Geldtransfer‑Verordnung und der 6. Geldwäscherichtlinie entsteht ein integriertes, zukunftsorientiertes System zur Bekämpfung von Finanzkriminalität.

Für Verpflichtete bedeutet dies erheblichen Umsetzungsaufwand – jedoch auch die Chance, Prozesse zu digitalisieren, Risiken zu minimieren und sich als verlässlicher Marktteilnehmer zu positionieren. Die Einführung der EU‑Geldwäsche‑VO ist kein kurzfristiges Compliance‑Projekt, sondern ein mehrjähriges Transformationsvorhaben, das Engagement auf allen Ebenen erfordert.

Schlussfolgerung: Wer frühzeitig, strukturiert und risikoorientiert vorgeht, verwandelt den regulatorischen „Albtraum“ in einen erfolgreichen Transformationsprozess.